Wie wichtig es ist, die eigenen Batterien zu laden (von Dr Lutz Ammerer)

(Hier anschließend) Am entscheidendsten ist eigentlich die erste Phase, hier kann man mit relativ wenig Mitteln enorm viel erreichen, allerdings kommen da die Menschen noch nicht zum Arzt. Die folgenden Anregungen sollten natürlich mit noch höherer Dringlichkeit auch in der zweiten Phase berücksichtigt werden: den Betroffenen hilft oft das Bild eines Akkus – wenn man den Mobiltelefon-Akku nie auflädt, aber ständig eine perfekte Leistung des Gerätes beim Telefonieren oder bei höheren Funktionen erwartet, wird man sehr rasch ein schwarzes Display vor sich haben. Genau so funktioniert auch unser Gehirn, das kann man den Menschen bildlich erklären, und das funktioniert besser als lange medizinische Erläuterungen.

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Abtei Seckau – ein Ort, an dem man seine Batterien aufladen kann

Da jeder Mensch mit einem anderen Akku ausgestattet ist, manche mit Hochleistungsgeneratoren, andere mit einer kleinen Varta-Batterie, ist es extrem schwierig, die persönliche Akku-Kapazität abzuschätzen. Was für den einen noch locker machbar ist, überfordert den anderen bereits heillos. Man muss hellhörig werden auf die ersten Anzeichen einer Erschöpfung, eines sich anbahnenden Burnout, also in der zweiten Phase mit beginnendem Rückzug, Distanzierung von der Arbeit, Umwertung von früheren Werten, Fehlleistungen. Der Kernpunkt ist, dass kein berufliches Engagement über die Arbeitszeit hinaus stattfinden sollte, Freizeit ist Freizeit, Urlaub ist Urlaub, Dienst ist Dienst. Hier müssen ganz klare Grenzen gezogen werden, sonst leidet sowohl das Privatleben als auch die Arbeitsfreude und die Arbeitskraft.

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Wir Ärzte merken das sehr deutlich bei den Bereitschaftsdiensten, wo genau diese Grenzziehung berufsbedingt unmöglich ist: man ist zu Hause, alles ist ruhig, kaum Anrufe oder Einsätze, trotzdem ist man wie unter Strom, denn das Telefon könnte ja jederzeit läuten. Eine Entspannung an solchen 84-Stunden Diensten von Freitag morgens bis Montag abends ist völlig unmöglich. Selbst wenn die 48 Stunden von Samstag morgens bis Montag morgens mitunter ganz ruhig sind, und mit recht wenig Arbeit verlaufen, ist man am Montag oft wie gerädert, und es gibt nichts Schöneres, als am Montag Abend endlich das Diensttelefon auszuschalten. Medienvertreter, Patientenanwälte und Gesundheitspolitiker haben dafür natürlich wenig bis gar kein Verständnis, aber das ist die klassische erste Burnout-Symptomatik.

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Dann sollte ein Gleichgewicht herrschen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, beide sind wichtig (der Traum von immer mehr Freizeit kann wie früher beschrieben schnell zum Albtraum werden, wenn berufliche Erfüllung oder anderwertige Herausforderungen fehlen). Im Berufsleben ist es unerlässlich, wichtige und unwichtige Aufgaben zu trennen und zu lernen, Aufgaben nach Dringlichkeit zu ordnen, sich auch zuzugestehen, dass man manches in der vorgegebenen Zeit einfach nicht erledigen kann und es deshalb delegiert werden sollte. Extrem wichtig ist das Pflegen von sozialen Kontakten, und zwar REALEN Kontakten, damit sind also nicht Facebook- oder andere Cyber-„Freundschaften“ gemeint, die sind sogar kontraproduktiv. Besonders die junge Generation ist besonders stark gefährdet, die virtuelle Welt mit der realen Welt zu verwechseln. Nur durch soziale Interaktion mit einem realen Gegenüber kann man einen neuen Blickwinkel auf Probleme bekommen und einen Weg aus dem inneren Labyrinth finden, in dem man sich verirrt hat.

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Das erklärt auch, warum ein Zerbrechen der Beziehung das Schlimmste ist, was passieren kann. Der Partner ist ja die erste Anlaufstelle. Mit dem Rückzug aus der Beziehung beginnt sich der Teufelskreis immer schneller zu drehen. Eine intakte und glückliche Beziehung mit reichlich Aussprache und Teilen der täglichen Sorgen ist da eine ungeheure Hilfe. Leider kommen viele Betroffene erst, wenn die Beziehung bereits zerrüttet ist, da der Partner den Rückzug, das Desinteresse, die Gereiztheit, die scheinbare Wesensveränderung schon lange als kränkend empfunden hat und seinerseits die Beziehung innerlich aufgekündigt hat oder bereits an Trennung denkt. Da steht man oft vor einem Zweifrontenkrieg, der schwer gütlich zu regeln ist, da Verbitterung um sich gegriffen hat.

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