Jedes intelligente Lebewesen braucht ein Betätigungsfeld für sein Gehirn (von Dr Lutz Ammerer)

Wie kann man einen Burnout-Patienten aktivieren, ein erfüllteres Leben zu führen? – Als Arzt hat man natürlich gewisse Grenzen in den Möglichkeiten, alternative Lebensaufgaben für einen Patienten zu finden, man muss dann Grenzen ziehen und die Verantwortung an den Patienten übertragen und das auch artikulieren. Ich nenne im Gespräch dann durchaus ein paar Beispiele, was man mit der neu zu erkämpfenden Freizeit machen könnte, aber die Entscheidung, ob man nun lieber Bergsteiger, Maler, Geiger, Gärtner oder Friedensaktivist werden möchte, muss natürlich jeder selbst für sich herausfinden.

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So sehen glückliche Musiker aus: Lutz Ammerer und Jörg Demus, Elisabeth Kropfitsch und das Jess-Trio (von links nach rechts).

Entscheidend ist, dass Freizeit zielgerichtet gestaltet wird und langfristig immer neue Erfüllungen bieten soll. Der Glaube, mit Nichts-Tun und Seele-Baumeln-Lassen alleine würden sich Probleme von selbst lösen, ist irrig. Als erstes muss einmal Freiraum geschaffen werden. Das ist das größte Problem für diese Menschen, denn genau diesen Freiraum haben sie ja nicht, er muss mühsam erkämpft werden. Erst danach kann man mit dem Auffüllen des Freiraumes beginnen. Wichtig ist, dass er mit etwas Erfüllendem besetzt wird, ein Computer-Verbot könnte man augenzwinkernd aber mit Nachdruck anmerken.

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Auch Gärtnern entspannt: der Garten von Stift Admont im Oktober.

Falls neu gewonnene Freizeit nicht sinnvoll und lustvoll gefüllt wird, endet es leider sehr rasch in neuer Frustration, das vergessen sehr viele! Man sieht das auch an der „Insel-Depression“: Menschen, die sich für ihre Pension ein Häuschen am Meer kauften und dann nach Pensionsantritt wie geplant dorthin siedeln, um alleine tagein tagaus im Liegestuhl mit Meer und Sonne den Lebensabend zu verbringen, verfallen sehr häufig in schwere Depressionen.

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Wenn das neuerdings diskutierte „bedingungslose Grundeinkommen“ tatsächlich einmal – wie auch immer finanziert! – aktuell werden sollte, so erkennen die Verfechter dieser Idee nicht, dass der Mensch nicht fürs Nichts-Tun geschaffen ist. Falls jeder 20Jährige vom Staat monatlich 1000, 2000 oder auch 5000 Euro fürs Liegen am Pool in die Hand bekäme, wären Schlägereien und Gewaltausbrüche bald an der Tagesordnung. Alle intelligenten Species benötigen ein Betätigungsfeld für ihr Gehirn – im Schaukelstuhl sitzen, ist das eben nicht, Grundeinkommen hin oder her.

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Nicht umsonst wurden die Matrosen der alten Segelschiffe auf ihren monatelangen Fahrten, wenn einmal nichts zu bergen oder Segel zu setzen waren, mit sinnlosem Deckschrubben beschäftigt, da die Kapitäne der Handelsschiffe genau wussten: würde man die jungen Leute wie heutige Kreuzfahrt-Touristen in Hängematten liegen lassen, gäbe es eine Meuterei nach der anderen (die Bounty-Geschichte ist da ein nicht uninteressantes Kapitel der Seefahrt).

Also muss auch der mühsam erkämpfte Freiraum des Burnout-Geplagten langfristig mit entspannenden, aber doch zielgerichteten Tätigkeiten gefüllt werden.

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