Gute Idee: einem Hobby nachgehen (von Dr Lutz Ammerer)

Im Alltag eines Arztes ist es wichtig, berufliche Sozialkontakte zu pflegen. Meinen Studenten predige ich immer, sie sollten die verpflichtenden Fortbildungen für Ärzte keinesfalls in Form von Online-Prüfungen absolvieren, sondern Fortbildungsveranstaltungen mit der Möglichkeit zu interkollegialem Austausch intensiv pflegen. Gerade im vergleichenden Gespräch mit Fachkollegen kann man die eigene Position neutraler beurteilen lernen.

IMG_0288_bearbeitet-2

Dr Ammerer (mit Klavierauszug) und sein Freund Jörg Demus

Auch Unternehmen und Vorgesetzte werden zunehmend gefordert, auf Burnout-Zeichen ihrer Mitarbeiter zu achten, vorzubeugen und rechtzeitig arbeitsmedizinische Hilfe anzubieten. Stress führt recht häufig zu Ernährungsfehlern, sehr oft wird Heißhunger auf Süßigkeiten und Schokolade beschrieben, physiologisch sind die Zusammenhänge klar, es werden dadurch kleine Belohnungsreize gesetzt. Umso wichtiger ist es, hier ein Problembewusstsein zu schaffen. Auch kann man die Menschen darauf hellhörig machen, dass, sobald der Griff zur Schoko wieder häufiger wird, dies ein Symptom einer psychischen Problematik sein kann. Auch die Suchtproblematik sollte man nicht außer acht lassen, denn Burnout-Betroffene haben ein massiv erhöhtes Sucht-Risiko, und Alkohol kann zum Problem werden, falls genetische Dispositionen zu einer Alkoholkrankheit bestehen.

DSC_2492_bearbeitet-2

Zuletzt muss man sich überlegen, was man mit der erkämpften Freizeit nun eigentlich machen möchte. Anfangs steht meist das Ruhebedürfnis im Vordergrund. Das ist auch gut so, nur muss auf lange Sicht gesehen die Freizeit glücklich und aktiv gestaltet werden, dazu sind Hobbies extrem hilfreich. Burnout-Patienten sind von Natur aus eher ehrgeizige Personen, ihnen fällt es für gewöhnlich nicht allzu schwer, eine passende Beschäftigung zu finden, man muss sogar vorsichtig warnen, dass sie nicht wieder zu ehrgeizig werden: ein untrainierter 60er sollte nicht die Ambition haben, einen Weltrekord im Marathon-Laufen zu erzielen. Aber ansonsten sind sportliche Tätigkeiten, künstlerische Ambitionen, Basteln, Lesen, Gartenarbeit oder gemeinnützige Engagements hervorragend geeignet, die Freizeit sinn- und lustvoll zu gestalten.

Bei all diesen Tätigkeiten gibt es immer neue Ziele zu erreichen, die Natur wächst ständig nach, so wachsen auch dem neuen Hobby-Gärtner ständig neue Aufgaben, und da es auf der Welt mehr als 5 Berge gibt, kann auch der Bergwanderer oder Bergsteiger ständig neue Herausforderungen finden. In der Kunst gibt es natürlich eine gewisse Frustrationsgefahr für allzu Ehrgeizige: als Geigen-Neuling mit 40 wird man kein Menuhin mehr werden und auch der 50jährige Klaviereleve wird nicht mehr erlernen, Beethovens Hammerklaviersonate oder Liszts h-moll Sonate zu spielen. Trotzdem sind solche Rückschläge wohl kein allzu großes psychisches Problem, wenn man gerade einem Burnout entronnen ist.

DSC_0416_bearbeitet-2

Früher gab es die wunderbare Kunst der Schwarz-Weiß-Fotographie. Der künstlerische Prozess begann beim Betätigen des Auslösers, der Wahl des Filters und der Bildkomposition und endete in der Dunkelkammer mit der Wahl der Papiergradation und den richtigen Nachbelichtungszeiten für bestimmte Bildpartien. Mit dem Siegeszug der digitalen Techniken ist diese Kunst leider fast ausgestorben. Früher machte man 12 Mittelformat-Negative, und darunter waren 5 gelungene Aufnahmen. Heute hat man eine 16 GB Speicherkarte mit tausenden Bildern und darunter sind 5 gelungene Aufnahmen … Wenn man früher in der Dunkelkammer stand, das Bild im Entwickler schwenkte und es im Rotlicht langsam die Graustufen annahm, um dann im Fixierbad bei Licht begutachtet zu werden, war es ein ganz anderes Gefühl der Zufriedenheit, wenn ein Bild gelungen war, als wenn man heute am PC sitzt und mit Kopf- und Nackenschmerzen und brennenden Augen in das Photoshop-Programm starrt.

DSC_2496_bearbeitet-1

Die Auswahl ist jedenfalls groß, und es sollte für jeden ein interessantes Betätigungsfeld zu finden sein, um sich in seiner Freizeit ein wenig zu verwirklichen. In jedem Ende liegt auch ein Anfang, das versuche ich jenen Betroffenen zu vermitteln, die dafür schon oder noch empfänglich sind und der Schatten, der so übergroß vor einem liegt, ist doch nur das eigene Abbild, das das Licht hinter einem voran wirft. Oft bedarf es eines Abschlusses, um die Augen zu öffnen für eine neue Wahrnehmung des Lebens.

Vor kurzem sagte mir eine End-Dreißigerin (das war ca. 2 Monate vor dem Beginn der ersten massiven Symptome des Burnout) nebenbei aber ganz im Ernst: ihr größter Traum wäre, einen Porsche zu besitzen und darauf arbeite sie mit aller Kraft hin. Für solche Menschen bedarf es wirklich eines massiven Einschnitts, um ihnen den Irrweg ihres bisherigen Lebens klar zu machen. Tiefe Erkenntnis erlangt man aber oft nur über den Weg durch Krise und Schmerz.

Kommentar schreiben